Wir sind noch immer in Chennai. Da wir dem Niederschlag der Regenzeit nur entkommen können, wenn wir unsere Reise an einem weit entfernten Ort fortsetzen, werden wir auf jeden Fall ein Flugzeug nehmen müssen. Wie der letzte Transport der Räder mit dem Flugzeug von Istanbul nach Goa bewiesen hatte, ist es sinnvoll, dabei die Fahrräder gut zu schützen. Die Beschaffung der dazu erforderlichen großen Kartons, aus denen wir die Boxen für die Räder basteln können, hatte bereits in Kolkata einige Zeit in Anspruch genommen. Ähnliche Schwierigkeiten haben wir auch hier in Chennai.
Abfall wird zumindest in Chennai gesammelt und weiterverwertet. Zahllose Wertstoff- und Abfallsammler sind ständig auf den Straßen unterwegs und informieren meist über Megafone mit Ansagen in Dauerschleife darüber, was von ihnen gesammelt wird und was die Anwohner über sie entsorgen können. Die Sammler sind mit kleinen, offensichtlich von der Stadtverwaltung gestellten Elektrosammelmobilen oder mit ebenfalls kleinen, meist unmotorisierten Fahrzeugen unterwegs. Was gesammelt wird und sorgfältig getrennt werden muss, wird den Sammlern abgekauft. Neben den kommunalen Aufkäufern gibt es Zwischenhändler, die z. B. Papier und Pappe zu etwas höheren Preisen abnehmen. Diese verkaufen das Material dann weiter an Händler, die mit großen Lastwagen unterwegs sind. Das System motiviert die Sammler, selbst den Inhalt von Abfallcontainern, in die Anwohner ebenfalls entsorgen können, zu durchsuchen, zu trennen und an die Annahmestellen zu verkaufen. Und da nicht wie in Deutschland, wo nur spezielle Reststoffe von Privatleuten verkauft werden können, z. B. auch Kunststoffe und organischer Abfall aufgekauft wird, ist das System so effizient, dass in der Stadt praktisch kein Abfall zu finden ist.
Entsprechend schwierig ist es, an große, stabile Wellpappe-Kartons zu kommen. Man muss die Abfallsammler vor den Sammelstellen abfangen, bevor sie einen großen Karton abgeben können. Andernfalls wird der umgehend in der Sammelstelle für den Weitertransport zerkleinert. Einen Zwischenhändler in der Nähe, der Kartons und Papier annimmt, haben wir informiert, dass wir ihm große und stabile Kartons abkaufen. Es scheinen große Kartons jedoch nicht häufig bei ihm angeliefert zu werden. So üben wir uns weiter in Geduld, lassen uns das indische Essen schmecken und freuen uns über unser klimatisiertes Zimmer. Die Temperaturen liegen immer noch zwischen 35 und über 40 Grad. Durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist der Aufenthalt im Freien schweißtreibend und wir sind meist nur zu den Mahlzeiten und zum Aufhängen unserer Wäsche draußen.
In den vergangenen Tagen fand wieder ein großes Fest im uns gegenüberliegenden Tempel statt. Dazu wird der Tempel aufwändig u. a. mit Lichterketten geschmückt. Die Zeremonien beginnen bereits früh morgens. Es werden zu solchen Gelegenheiten große Lautsprecher vor dem Tempel aufgebaut, sodass das ganze Stadtviertel an den Gesängen und Gebeten teilhat. Die Lautstärke ist für europäische Ohren gewöhnungsbedürftig und eine Session kann schon einmal einen ganzen Vormittag dauern. Durch ein großes Fenster haben wir einen guten Blick auf die Geschehnisse, die sich direkt gegenüber unserer Unterkunft abspielen. Die Frauen tragen zu solchen Anlässen meist ihre schönsten Saris. An der Zahl der Schuhe vor dem Tempel ist die Anzahl der Besucher abzuschätzen. Außerhalb des Tempels geht zwischen Kühen, Hunden, ambulanten Händlern, Autos und Motorrädern das normale Alltagsleben weiter. Für uns ist es interessant, dieses unverfälscht mitzuerleben, was in den touristischen Zentren so kaum möglich ist.
Aufnahmedatum 27/05/2023
Aufnahmedatum 10/06/2023
Aufnahmedatum 20/06/2023
Aufnahmedatum 21/06/2023
Aufnahmedatum 22/06/2023
Aufnahmedatum 24/06/2023
Was der Clip nicht vermitteln kann, ist die Lautstärke.