Uns ist bewusst, dass wir lange Zeit nichts berichtet haben. Das lag daran, dass es zunächst nicht viel zu berichten gab und anschließend daran, dass wir zu beschäftigt waren, um etwas zu schreiben.
Wenn wir nicht gerade auf unterschiedlichen Wegen versuchten, proaktiv der indischen Immigration mögliche Fragen zum Visumsantrag von Diez zu beantworten oder versuchten herauszubekommen, weswegen das Visum noch immer nicht erteilt wurde, verbrachten wir das Warten mit der Lektüre der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Das Wetter blieb klar mit viel Sonnenschein und noch erträglichen Temperaturen um die 20 °C. Nachmittags setzten wir uns meist in den nahegelegenen, gut besuchten Park, wo man für umgerechnet zehn Cent mit Tee versorgt wird. Es scheint hier üblich zu sein, lieber Freunde beim Tee zu treffen, als vor dem Fernseher abzuhängen oder sich online sozial eingebunden zu fühlen. Ob sich Deutsche ähnlich oft in Cafés treffen würden, wenn man sich das leisten könnte, wissen wir nicht. Bald waren wir im Park bekannt und offenbar wollte man es honorieren, dass wir die türkische Lebensart adaptierten, denn uns wurde Gebäck geschenkt und Tee ausgegeben.
Am 2. November kam endlich die E-Mail mit der erlösenden Nachricht, dass auch das 5-Jahres-Visum für Diez erteilt wurde. Die bereits bei Antragstellung bekannte Bedingung ist, dass nach jeweils 90 Tagen wenigstens kurz das Land verlassen werden muss. Wir vermuten, dass man auf diese Weise Gelegenheit erhalten möchte, sich der ausländischen Staatsbürger zu entledigen, die das Gastrecht missbraucht haben – wieso ist Deutschland nicht in der Lage, ähnlich zu verfahren, schließlich haben wir noch nicht gehört, dass man Indien wegen dieser Praxis an den Pranger gestellt hat?
Nachdem wir wussten, wie es weitergehen konnte, konnten wir endlich aktiv werden. Wir mussten kleinere Kartons für unsere Habseligkeiten finden. Schließlich sind wir nicht mit Koffern unterwegs und unsere Fahrradtaschen eigenen sich ungeschützt nicht zum Tansport als Aufgabegepäck. Für die demontierten Fahrräder mussten enganliegende Boxen gebaut werden. Uns gelingt es, die von den meisten Fluggesellschaften akzeptierten Maße für Aufgabegepäck einzuhalten, indem wir die Vorderradgabel mit dem Vorderrad aus dem Rahmen nehmen und mit Kabelbindern so am Rest befestigen, dass die maßgebliche Summe aus Länge, Höhe und Breite minimal ist. Die im Internet verbreiteten Tipps zum Verpacken für den Flug haben sich als für uns nicht ausreichend erwiesen. Am stabilsten ist die Box, wenn ihre Seiten möglichst wenige ehemalige Falzstellen aufweisen. Aus zu vielen kleinen Kartons sollten die großen deswegen nicht zusammengestückelt werden. Diesmal wurden wir gleich beim ersten Küchenausstatter fündig, der uns den Karton einer Kühl-Gefrierkombination sowie den Karton eines großen Flachbildschirms überließ. Der äußerst freundliche Inhaber ließ sich beim von ihm gereichten Tee einige unserer bisherigen Erlebnisse schildern. Inzwischen haben wir Erfahrung beim Bau der Fahrradverpackungen und auch diesmal gelang es uns unter Verwendung fast des geamten Wellpappematerials und mit Hilfe von insgesamt etwa 250 m Klebeband sowie etwas weniger Folie, passgenaue Boxen zu fertigen und zu umwickeln. Während wir gleich beim ersten Geschäft das Material für die großen Boxen erhielten, gestaltete sich die Suche nach den kleineren Kartons für die übrigen Sachen schwieriger. Entweder werden die Kartons unmittelbar nach dem Auspacken vernichtet oder von den zahlreichen Abfallsammlern mit ihren großen handgezogenen Karren abgeholt. Erst nachdem wir in mehreren Geschäften erfolglos nachgefragt hatten, fanden wir einen Händler, der uns zwei Kartons zur Verfügung stellte. Diesmal passten wir besser auf, dass die diversen Batterien, Akkus und batterienbetriebenen Geräte nicht im Aufgabegepäck verblieben. Diez hatte keine Lust, wie bereits in Australien in den Katakomben der Gepäcksortierung und -beförderung aus einem unserer gut verpackten Kartons einen nur im Handgepäck akzeptierten Akku zu holen.
Für uns gestaltet sich die Wahl eines geeigneten und möglichst günstigen Fluges schwieriger als für Passagiere ohne Über- und Sperrgepäck. Die Suchmaschinen im Internet ignorieren die Bedürfnisse der exotischen Fahrradreisenden. Diesmal bedurfte es z. B. dreier E-Mails um zu erfahren, dass Air Arabia unsere Fahrräder aufgrund ihrer Abmessungen selbst im demontierten Zustand nur als Fracht transportiert hätte und von IndiGo haben wir bis heute keine Nachricht. Teilweise werden Sonderkonditionen für Sportgepäck angeboten. Eine Option, die uns diesmal bei Oman Air sehr zugutekam. Wie bereits bei unserem Flug von Australien zurück nach Deutschland nutzten wir auch diesmal die pauschale Gewichtsgrenze von 32 kg dieser Sondergepäckstücke zur Entlastung unsers sonstigen Gepäcks um etliche von uns als Fahrradzubehör definierte Gegenstände. Die großzügigen 30 kg Standard-Freigepäck schöpften wir diesmal bei weitem nicht aus. Die Zeltausrüstung, die wir bereits aus Bulgarien zur Einlagerung in Deutschland zurückgeschickt hatten, hatte uns in der Vergangenheit mehr Schwierigkeiten bereitet, Übergepäck zu vermeiden oder wenigstens zu minimieren.
Ein Kriterium bei der Auswahl des Fluges ist die Anzahl der Zwischenstopps, denn jedes Umladen erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Fahrräder beschädigt werden. Vorteilhaft ist auch, wenn alle Teilstrecken von nur einer Gesellschaft betrieben werden. Auch wenn die Entschädigung bei Beschädigung oder Verlust der Räder weit unter dem Wiederbeschaffungswert liegt, vermuten wir, dass sich in diesem Fall die Durchsetzung unserer Ansprüche gegenüber mehreren Gesellschaften schwieriger gestalten dürfte als bei nur einem Ansprechpartner. Der Wunsch, möglichst schnell anzukommen, muss gegenüber den vorgenannten Kriterien zurückstehen. Auch diesmal waren die acht Stunden Aufenthalt beim Zwischenstopp in Muscat, Oman, und der Abflug um 1 Uhr nachts nicht gerade das, was wir uns wünschten. Die Ankunft um 20:00 Uhr in Goa ist ebenfalls suboptimal: Wir hatten bereits Ankünfte an Zielflughäfen, bei denen Immigration, Gepäckausgabe und Zoll soviel Zeit beanspruchten, dass die letzten Taxis bereits den Flughafen verlassen hatten als wir das Gebäude verließen. Wäre uns das auch diesmal passiert, hätten wir die Fahrräder noch am Flughafen zusammenbauen müssen, um aus eigener Kraft mitten in der Nacht das Hotel zu erreichen. Nach einer so langen Reise nicht das, was wir uns erträumten.
Bereits einige Tage vor unserem Abflug hatten wir uns mit einem Maßband bewaffnet an Taxiständen auf die Suche nach einem Wagen gemacht, der geeignet war, unsere Fahrradboxen zu transportieren. Schließlich fanden wir ein Taxi, das zumindest die Fahrradboxen aufnehmen konnte. Unklar blieb, ob anschließend in dem Taxi noch genug Platz für die vier weiteren Kartons blieb. Wir vereinbarten die Abholung von unserem Hotel für 19:00 Uhr am 9. November. Bis zum Abflug blieben noch sechs Stunden. Diesen Puffer wollten wir haben, um ggf. noch ein weiteres Taxi zu ordern, falls wir nicht sämtliches Gepäck in dem ersten hätten unterbringen können oder sogar bei einer Panne noch die Chance zu haben, den Flug zu erreichen. Das Taxi war überpünktlich, das gesamte Gepäck passte zu unserer großen Erleichterung ins Auto und die mit etwa einer Stunde veranschlagte Fahrt zum Istanbuler Flughafen konnte beginnen. Wir kamen gut durch den Feierabendverkehr und erreichten entsprechend früh den Flughafen. Dort konnten wir die verbliebenen Türkischen Lira in Indische Rupien tauschen, was sich später als sehr nützlich erweisen sollte. Die Zeit bis zum Öffnen des Check-in-Schalters verbrachten wir in bequemen Ruhesesseln.
Der fünfstündige Flug von Istanbul nach Muscat war ruhig und pünktlich und wir kamen morgens um 7:00 Uhr Ortszeit an. Nachdem wir im Flugzeug noch ein spätes Abendessen bekommen hatten, war der Hunger nicht groß und wir frühstückten die Reste unseres mitgebrachten Brotes. Es war schwierig, den versäumten Schlaf nachzuholen, da es hier keine so bequemen Sessel wie im Istanbuler Flughafen gibt und es unruhiger ist als in der Nacht. Diez versuchte sich bereits an die üblicherweise härteren Betten in Asien zu gewöhnen, indem er sich wie einige der Omanis in einer ruhigen Ecke auf den Fußboden legte. Um 15:35 Uhr startete der dreieinhalbstündige Weiterflug nach Goa. Wieder gab es ein warmes Essen, diesmal schon deutlich indischer im Geschmack. Um 19:30 Uhr landeten wir in Goa. Die Außentemperatur wurde mit 29 °C angegeben. Was für ein Unterschied zu Saray in der Türkei. Dort lagen die Nachttemperaturen bei nur noch 8 °C.
Die Immigration verlief problemlos und unser Gepäck kam vollständig vom Band. Nun mussten wir noch durch die Zollkontrolle. Wir erinnerten uns an die letzte Kontrolle dort, als wir die Fahrradkartons öffnen mussten. Damals war das kein Problem, da wir frühmorgens ankamen und ohnehin die Fahrräder am Flughafen zusammenbauen wollten. Diesmal hatten wir jedoch vor, angesichts der späten Ankunft ein Taxi zum Hotel zu nehmen und in den Kartons ließ sich das Gepäck leichter und sicherer transportieren als in Einzelteilen. Auf die Frage, was in den großen Kartons sei, entwickelte sich gleich ein Gespräch mit dem Zöllner über unsere vergangene Radreise durch Indien. Nach der Aussage, das indische Essen sei das beste der Welt, wollte niemand mehr über den Inhalt unseres Gepäcks sprechen.
Um Neuankömmlinge in erträglichen Dosen an die indischen Verhältnisse heranzuführen, wacht ein mit einem Knüppel bewaffneter Wachmann am Eingang zum Flughafen darüber, dass die Meute der Taxifahrer und Verkäufer draußen bleibt und sich die Fluggäste nicht bereits in der Ankunftshalle belästigt fühlen. Vermittelt werden Taxifahrten von zwei Büros, die auf der Innenseite die Anfragen der Fahrgäste entgegennehmen und am Schalter zur rauhen Außenseite die Fahrte an die Taxifahrer versteigern. Das erste Büro meinte zwar, ein ausreichend großes Taxi vermitteln zu können, als wir jedoch als Zielort das nicht einmal vier Kilometer entfernte Hotel nannten, teilte man uns mit, wir sollten uns für so kurze Fahrten an das andere Büro wenden. Dort wurden wir vertröstet, wir hätten zu warten, bis ein großes Taxi verfügbar sei – wann das der Fall wäre, konnte man uns nicht sagen. Zurück beim ersten Büro kamen wir über den Inhalt unserer Kartons zum Gespräch über unsere bisherigen Erlebnisse, dass, was wir jetzt in Indien beabsichtigten und die Schönheit des Landes. Sichtlich beeindruckt, hatte man ein Einsehen mit uns und uns wurde ein passendes Taxi zugeteilt – auch wenn die Fahrt uns lediglich knapp 8 € kostete. Wenige Minuten später fuhren wir mit dem ganzen Gepäck zu unserem vorgebuchten Hotel. Ohne die bereits in Istanbul umgetauschten Rupien hätte uns der Taxifahrer nicht mitgenommen und ob die ATMs anders als bei bei unserer letzten Ankunft hier funktionierten, haben wir nicht ausprobieren müssen. Mit einer so schnellen Ankunft hatten wir gar nicht gerechnet. Für den ungünstigsten Fall, dass wir kein Taxi hätten nehmen können und mit den noch zu montierenden Fahrrädern sowie nach dem Bepacken Fahrradtaschen zum Hotel hätten fahren müssen, hatten wir dem Hotel vorsorglich eine sehr späte Ankunft in Aussicht gestellt, damit unser Zimmer nicht nach Mitternacht an einen anderen Gast vergeben wird. Nach einer wohltuenden Dusche fielen wir ins Bett und schliefen wunderbar bis zum nächsten Morgen.
Aufnahmedatum 02/11/2022
Für eine Kleinstadt mit gut 50.000 Einwohnern (Stand 2020) hat Saray einen sehr großen Markt. Hier nicht der einzige Stand mit einer großen Olivenauswahl (60 TL für das Kilo Oliven entsprechen 3,11 €) Wo?Nach Rechtsklick
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Auf dem Markt wird u. a. Kleidung verkauft Wo?Nach Rechtsklick
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Aufnahmedatum 04/11/2022
Die sonnigen Nachmittage verbrachten wir oft im Park bei der Ayas Paşa Moschee bei einem Tee, der dort für 0,10 € serviert wird Wo?Nach Rechtsklick
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Aufnahmedatum 08/11/2022
Die Räder sind für den Transport verpackt Wo?Nach Rechtsklick
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Aufnahmedatum 09/11/2022
Bis zum Abfahtstermin war nicht sicher, ob alles in einem einzigen Taxi transportiert werden konnte Wo?Nach Rechtsklick
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