Die bisher offene Frage, wohin wir der Kälte des Winters entfliehen wollen, ist inzwischen beantwortet. Die zunehmend kühleren Temperaturen der letzten Tage und u. a. die Aussicht auf die unübertroffene Küche ließen in uns die Sehnsucht nach Indien immer stärker werden. Und in Goa kulminiert all das, was wir an Indien lieben.
Die nächsten Schritte sind damit vorgezeichnet. Da wir in Indien in der Vergangenheit nie auf unser Zelt angewiesen waren, sollte die Campingausrüstung uns nicht in Form von teurem Übergepäck und unnütz mitgeschlepptem Gewicht weiter belasten.
Als wir das letzte Mal etwas aus dem außereuropäischen Ausland nach Deutschland geschickt hatten, hat uns das drei Tage gekostet. Burgas ist auf unserer Route der vorletzte Ort in Europa und wahrscheinlich der letzte, von dem aus ein Versand noch relativ einfach ist. Hier dauerte es lediglich einen halben Tag, bis wir einen passenden, stabilen Karton gefunden hatten, nicht wie in Kolkata mehrere Tage. Die Einfuhrbestimmungen nach Deutschland aus dem europäischen Ausland sind ebenfalls sehr viel übersichtlicher und leichter zu erfüllen als die beim Versand aus z. B. Australien. Ein positiver Nebeneffekt des Versands aus Burgas ist, dass er die drei jetzt anstehenden Etappen mit jeweils vielen Höhenmetern im wahrsten Sinn des Wortes erleichtern wird – und zwar um etwa 17 kg. Wir erinnern uns noch gut an die hohen Kosten des Versands des vergleichsweisen kleineren und leichteren Pakets aus Ungarn. Proportional höhere Kosten wären jetzt wohl ebenfalls angefallen, hätten wir den Dienst der bulgarischen Post in Anspruch genommen. Fündig bei der Suche nach einem günstigen Kurierdienst wurden wir beim von unserem Vermieter empfohlenen Speedy. Mit ihm ist der Versand von Bulgarien nach Deutschland wahrscheinlich sogar günstiger als es der Versand desselben Pakets innerhalb Deutschlands wäre. Dabei bedient sich Speedy des auch in Deutschland tätigen DPD. Eine Schwierigkeit hatten wir noch. An wen sollten wir das Paket versenden? Diez‘ Schwester würde selbstverständlich das Paket annehmen, doch ihr wollten wir nicht die Schwierigkeit zumuten, es in ihrem Haus zwischenzulagern, bis wir es irgendwann zur Einlagerung im Self-Storage mitnehmen können. Aus dieser Schwierigkeit half uns unsere Freundin Bärbel aus Hannover, die uns bereits in der Vergangenheit hilfreich zur Seite gestanden hatte. Sie erklärte sich freundlicherweise bereit, das Paket in Empfang zu nehmen und in den Self-Storage zu bringen.
Die Entscheidung für Indien zwang uns, für Dagmar wieder die private Auslandskrankenversicherung aufleben zu lassen, die seit unserer Rückkehr aus Australien als Anwartschaftsversicherung weitergeführt wurde. Hätte sie die Auslandskrankenversicherung zwischenzeitlich nicht umgestellt, sondern gekündigt, wäre ihr die Neuversicherung unter Hinweis auf die Altersgrenze verwehrt worden, ganz abgesehen davon, dass eine Neuaufnahme mit einer neuen Gesundheitsprüfung und ggf. einer entsprechend erhöhten Prämie verbunden gewesen wäre.
Mit der privaten Auslandskrankenversicherung ist für sie die gesetzliche Krankenversicherung entbehrlich geworden. Die gesetzliche Krankenversicherung leistet zwar außerhalb Europas nicht, dies rechtfertigt jedoch, wie wir bereits gelernt hatten, nicht ihre Kündigung. Vielmehr muss Dagmar sich auf das Kündigungsrecht nach Ausscheiden aus dem Geltungsbereich der Vorschriften über die Versicherungspflicht des SGB IV berufen. Wir wissen noch, wieviel Schwierigkeiten uns die gesetzliche Krankenversicherung bei der ersten Kündigung gemacht hat. Wir sind gespannt, ob sie aus ihren damaligen Fehleinschätzungen gelernt hat.
Unser Vermieter hatte in Deutschland gearbeitet und hat in Burgas verschiedene Kontakte zu in Burgas und Umgebung lebenden Deutschen. Unseren Aufenthalt sah er als gute Gelegenheit, uns mit seinen deutschen Freunden in Kontakt zu bringen. So brachte er uns einen Impfflüchtling aus Deutschland vorbei, der nicht mehr in Deutschland leben will und in Bulgarien hängen geblieben ist. Tags darauf kam Ulli, ein älterer Herr, der eine bulgarische Frau hat und eine Wohnung in Burgas besitzt. Ein sehr netter Mann mit einem wunderschönen Weimaraner Jagdhund. Ulli hatte zeitweise in einem ostdeutschen Kernkraftwerk gearbeitet und konnte so gut mit Diez über die verfehlte deutsche Energiepolitik schimpfen.
Gestern hatten wir Zeit, in Ruhe unsere Sachen zu packen und unsere Weiterreise vorzubereiten.
Heute Morgen war es wie stets in letzter Zeit recht kühl. Die Strecke führte heute nach Elchowo. Knappe 100 km mit etwa 850 Höhenmetern waren zu bewältigen. Die Qualität der Straße war gut und der Verkehr war nicht zu stark. Nach etwa 30 km begann der erste längere Aufstieg. Der war jedoch nicht zu steil und ließ sich gut bewältigen. Dagmar hat, nachdem wir unsere Zeltausrüstung zurück nach Deutschland geschickt haben, keinen Packsack mehr zu transportieren. Ihr verbleiben ihre vier Packtaschen. Das erleichtert ihr insbesondere das Bergauffahren. Diez befördert jetzt den gegenüber seinem bisherigen den leichteren Packsack, der ursprünglich Dagmar zugeordnet war.
Wir hatten lange suchen müssen, bis wir eine Strecke fanden, deren Etappen nicht nur von den Höhenmetern und der Entfernung zu bewältigen sind, sondern auch Unterkunftsmöglichkeiten bieten, da wie jetzt die Übernachtung im Zelt nicht mehr als Rückfallposition haben. In der jetzt durchfahrenen Gegend sind die Unterkünfte rar und so wählten wir die Strecke über die etwas größeren Orte Elchowo und Kırklareli, die jeweils mehrere Hotels bieten.
Noch gestern waren bei Booking.com ausreichend freie Zimmer in Elchowo verfügbar, sodass wir vor Ort das Hotel nehmen wollten, das unsere Räder sicher verwahren konnte. Soweit die Planung. Zu unserer Überraschung war das erste angefahrene Hotel ausgebucht. Die Dame an der Rezeption erkundigte sich noch bei drei weiteren Hotels nach freien Zimmern. Auch diese waren ausgebucht. Sie schickte uns zu einem benachbarten Hotel, das sich als ebenfalls ausgebucht herausstellte. Ein weiteres, kleineres Hotel hatte seinen Anrufbeantworter ausgeschaltet. Booking.com wies erst in mehr als 50 km Entfernung die nächste freie Unterbringungsmöglichkeit aus. Die hätte uns zudem noch weiter von unserem geplanten morgigen Ziel entfernt und wir hätten sie vor Einbruch der Dunkelheit wohl auch nicht erreicht. Nach den 100 bereits gefahrenen Kilometern war das darüber hinaus nicht das, was wir wollten. Wir standen etwas ratlos auf der Straße und überlegten, was wir unternehmen könnten. Wir versuchten uns bereits mit der Idee anzufreunden, auf einer Polizeistation, in einer Moschee oder zur Not auf Parkbänken zu übernachten, als uns zwei junge Männer in gutem Englisch fragten, ob sie uns helfen könnten. Sie hatten mitbekommen, dass wir einen hilfsbedürftigen Eindruck machten. Wir erklärten unsere Situation und erfuhren, dass auf Grund der sich vor Wintereinbruch verstärkenden Migrationsbewegungen auf der Balkanroute vermehrt Grenzpolizei in dieser Gegend zusammengezogen worden ist, für die sämtliche Hotelzimmer gebucht worden waren. Das erklärte auch die vielen Polizeifahrzeuge, die wir unterwegs gesehen hatten. Ohne zu zögern telefonierten die beiden Männer mit Bekannten, die möglicherweise eine Schlafgelegenheit bieten konnten – doch ohne Erfolg. Als auch das keine Lösung unseres drängenden Problems brachte, fragte man uns, ob man es uns zumuten könne, uns im angeblich nicht besonders aufgeräumten Haus eines der beiden Freunde unterzubringen. Die Wohnung hatte einen Wasserschaden und während der Renovierung wohnt der Mann übergangsweise im benachbarten Haus seiner Mutter. Wenn wir wollten, könnten wir dort übernachten. Der harten Parkbank hätten wir jeden noch so schlechten überdachten Ort vorgezogen, also willigten wir erfreut ein. Statt der erwarteten Baustelle fanden wir uns nach 500 m in einem hübsch eingerichteten kleinen Haus wieder. Schnell war das Bett bezogen. Die beiden freundlichen Herren waren zu einer Geburtstagsfeier eingeladen und mussten gehen. Gerne hätten wir uns mit dem Wohnungsbesitzer und seinem ebenso freundlichen Freund noch lange unterhalten – vielleicht ergibt sich irgendwann die Gelegenheit, das nachzuholen. Nach einer heißen Dusche und einem Abendessen fielen wir todmüde ins Bett und waren froh, dass dieses Abenteuer ein so glückliches Ende gefunden hatte.
Wir bedankten uns bei unserem Gastgeber mit einer Flasche Whisky, die nur ungenügend zum Ausdruck bringen kann, wie sehr wir seine Gastfreundschaft zu schätzen wissen.
Aufnahmedatum 08/10/2022
Beim Verlassen von Burgas sehen wir einen kleinen Teil des Burgas-Sees Wo?Nach Rechtsklick
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In den Ausläufern des Strandscha-Gebirges ist es hügelig Wo?Nach Rechtsklick
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Schlehen Wo?Nach Rechtsklick
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Immer wieder ermöglichen die Kuppen weite Blicke ins Land Wo?Nach Rechtsklick
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